Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 09.05.2018 – 5 U 23/16) entschied zu Gunsten eines Versicherungsnehmers. Aus den Gründen:

Anfechtung:

Die Berufsunfähigkeitsversicherung hat den Versicherungsvertrag nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Dies würde nämlich bedingen, dass sie zur Abgabe ihrer auf den Abschluss dieses Vertrages gerichteten Willenserklärung durch Täuschung bestimmt worden wäre, und dass diese Täuschung auch arglistig geschehen wäre.

Voraussetzung ist immer, dass dem Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder nach früheren Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Antrags zu beeinflussen. Einen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Gesundheitsfragen immer oder nur in der Absicht geschieht, den Willen des Versicherers entsprechend zu beeinflussen, gibt es nicht. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde.

Da es sich bei der Arglist um eine innere Tatsache handelt, ist der Beweis in der Praxis meist nur aufgrund von Indizien zu führen. Für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers spricht es, wenn dieser Erkrankungen verschweigt, die ihm offensichtlich erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten, wie namentlich schwere, chronische oder schadengeneigte oder immer wieder auftretende zahlreiche oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen. Indizien für ein arglistiges Handeln sind weiter, dass der Antragsteller Störungen nicht angibt, die noch relativ kurz vor Antragstellung bestanden haben, oder dass er zwar weniger schwere oder länger zurückliegende Erkrankungen angibt, zeitnähere oder erheblich schwerer wiegende hingegen verschweigt. Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände – auch Untersuchungen und ärztliche Behandlungen – stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folgt daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war. Liegen objektive Falschangaben vor, so ist es überdies Sache des Versicherungsnehmers, substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiv falschen Angaben gekommen ist.

Rücktritt:

Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist von dem – mithin nicht durch Anfechtung beseitigten – Vertrag auch nicht wirksam zurückgetreten. Die von ihr geltend gemachten, auf die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gestützten Rechte konnten hier schon deshalb nicht wirksam ausgeübt werden, weil die Beklagte den Kläger vor Vertragsabschluss nicht in der gebotenen Weise durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hatte. Gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG stehen dem Versicherer die Rechte nach den § 19 Abs. 2 bis 4 VVG nur dann zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Dabei erfordert das Merkmal einer „gesonderten Mitteilung in Textform“ in diesen Fällen zwar nicht zwingend die Erteilung in Form eines gesonderten Dokuments. Vielmehr kann der gebotene Hinweis auch zusammen mit schriftlichen Fragen des Versicherers innerhalb eines Dokuments erteilt werden. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung sind diese Anforderungen in Fällen, in denen der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht in einer von sonstigen Erklärungen getrennten Urkunde auf die Folgen einer Anzeigeobliegenheitsverletzung hingewiesen hat, aber nur gewahrt, wenn die Belehrung drucktechnisch so gestaltet ist, dass sie sich deutlich vom übrigen Text abhebt und vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann. Bei dieser Gestaltung werden diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt:

Insoweit fehlt es schon an dem Erfordernis, die Belehrung zeitlich, räumlich und sachlich so in einen Zusammenhang mit den Fragen des Versicherers zu bringen, dass dem Versicherungsnehmer die Belehrung bei der Beantwortung der Fragen „vor Augen steht“. Die Warnfunktion des § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG wird im Falle einer solchen Doppelbelehrung nämlich nur dadurch erreicht, dass der im räumlichen Zusammenhang mit den Gesundheitsfragen erteilte allgemeine Hinweis die Stelle genau bezeichnet, an welcher die Information über die näheren Einzelheiten erfolgt. Wird auf eine anliegende Belehrung verwiesen, muss der Weiterverweisungshinweis geeignet sein, unter konkreter Angabe des genauen Fundorts zu der Belehrung zu führen. Hinzu kommt, dass die Überschrift der Belehrung dem Versicherungsnehmer den Zusammenhang zu den Antragsfragen nicht verdeutlicht und der Text auch aufgrund seiner Gestaltung nach Schriftart und -größe nur schwer lesbar ist und infolgedessen leicht übersehen werden kann.

Fazit:

Stand die Belehrung also nicht in unmittelbarer Nähe zu den Gesundheitsfragen, ist stets zu prüfen, ob der Versicherungsnehmer diese überhaupt in ausreichendem Maße wahrgenommen hat. Deren Bedeutung muss ihm stets bewusst sein. Deshalb muss sich die Belehrung ihm aufdrängen. Geht sie – wie im Beispielsfall – unter, ist es dem Versicherungsunternehmen verwehrt, sich auf mögliche Falschangaben zu berufen – wiederum zu Gunsten des Verbrauchers.

Wenn Sie Fragen dazu haben, wenden Sie sich gerne an unseren Versicherungsrechtler, Herrn RA Volker Weingran.

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